Kliniksprechertag

10. Kliniksprechertag: Reger Austausch und reichlich Aufgaben

von Agentur lege artis

0

„Wir haben uns als Ziel gesetzt, die Rolle der Kommunikation in dieser gesundheitspolitischen Debatte über die Qualität im Krankenhaus greifbar zu machen“, eröffneten Corinna Bischof und Prof. Dr. Achim Baum den 10. Kliniksprechertag. Auf Einladung der Agentur lege artis waren am 9. März über 50 Kliniksprecher aus dem gesamten Bundesgebiet in den Zwei-Löwen-Klub nach Münster gekommen. Gemeinsam mit zahlreichen Referenten sprach das Moderatoren-Duo, tatkräftig unterstützt von Theaterpädagoge und Improtheater-Spieler Benjamin Häring, über den Zusammenhang zwischen Qualität und Kommunikation. kliniksprecher.de gibt einen Einblick in den Tag.

 

Kommunikation als medizinische Schlüsselkompetenz
Als erster Referent gab Dr. Micheal Schwarzenau im Gespräch mit den Moderatoren einen Überblick über die Qualitätsdebatte. Unter anderem wies er darauf hin, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient darunter leide, wenn Leistungen bewertet würden. In medizinischen Behandlungsprozessen gehe es aber letztlich immer um Vertrauen. Daher erklärte der Hauptgeschäftsführer der Ärztekammer Westfalen-Lippe: „Heilkunst braucht Sprachkunst! Zeit für Gespräche ist die wichtigste Ressource des Arztes.“

 

Den Nerv der Teilnehmer traf Schwarzenau mit folgender Feststellung: „Die kommunikative Kompetenz muss bei Medizinern zu einer Schlüsselkompetenz werden“. Kliniksprecher und Referenten diskutierten, ob Sprach- und Kommunikationstrainings bereits in das Medizinstudium aufgenommen werden sollten oder ob Weiterbildungsmaßnahmen und Workshops ausreichten. Die Diskutanten äußerten verschiedene Ansichten, letztlich blieb die Antwort offen.

 

Impulse zur Weissen Liste und zum Themenabend „Notfall Krankenhaus“
Über den Informationsbedarf von Patienten referierte Marcel Weigand, Senior Project Manager der Weissen Liste. Mehr als 2.000 Menschen nutzen seinen Aussagen zufolge täglich die Möglichkeit, sich über das Online-Portal über eine geeignete Klinik oder einen Arzt zu informieren. „Primäres Kriterium der Patienten ist die Qualifikation der Ärzte“, zeigte Weigand auf. Erst danach kämen Aspekte wie Behandlungserfahrung oder Hygiene und Sauberkeit.

 

Im Anschluss an den Vortrag luden die Moderatoren neben Weigand auch ZDFzoom-Redakteurin Nina Behlendorf in die Talkrunde ein. Die Runde sprach dann über den Themenabend „Notfall Krankenhaus“ vom 5. November 2015 (kliniksprecher.de berichtete). Das ZDF hatte sich mit deutschen Krankenhäusern und deren Qualität beschäftigt und in Kooperation mit der Weissen Liste über 1.750 Patientengeschichten zusammengetragen. Behlendorf berichtete: „Jede fünfte Zuschrift war auch ein Lob für die Kliniken!“

 

Kliniksprecher sollten Dialoge und Freitextbefragungen nutzen
Die Kliniksprecher kritisierten in der anschließenden Diskussion am Beispiel des ZDF-Themenabends, dass die Medien Krankenhausgeschichten häufig skandalisieren. Behlendorf legte in ihrer Funktion als Journalistin besonders Wert auf eine (gute) Zusammenarbeit zwischen Medien und Kliniksprechern. Es sei wichtig, dass Kliniksprecher überhaupt etwas sagten. Skandale entstünden erst, wenn sich die Krankenhäuser in Schweigen hüllten und Redakteure spekulieren müssten. Auch Weigand gab zu verstehen: „Im Zweifelsfall kann man Geld und Zeit sparen, wenn man bei Beschwerden wenigstens ein Arzt-Patienten-Gespräch anbietet.“

 

Außerdem hob Weigand die Freitextbefragung des ZDF-Projekts positiv hervor, die im Nachhinein auch von der Weissen Liste aufgenommen wurde. „Solche Befragungen tragen die konkreten Wünsche und Bedürfnisse zusammen“, so Weigand. Erst dadurch könne man erfahren, weshalb manche Patienten eine Klinik schlecht bewerten. Er motivierte die Kliniksprecher, die Patienten in dieser Form zu befragen.

 

Medizinstudierende arbeiten an „perfekter“ Klinik
Kurz vor der Mittagspause bat das Moderatorenteam „die Zukunft des Krankenhauses“ auf die Bühne: In ihrem Buch „Heal Your Hospital“ beschreiben Studierende unterschiedlicher Disziplinen der Universität Witten/Herdecke, wie sie sich die perfekte Klinik vorstellen (kliniksprecher.de berichtete). Im Gespräch berichteten die Studierenden dann von enormen Unterschieden zwischen ihren Vorstellungen vom Arztberuf und der Realität. Die Buchautoren sehen in ihrer „frischen“ Perspektive jedoch eine Chance, die Schwierigkeiten zu beheben. „Probleme sind von Menschen gemacht, also können Menschen sie auch ändern“, so Sören Schulz, einer der Studierenden. Sie alle seien motiviert, im Gesundheitswesen etwas zu verändern.

 

Eine Dialog-Plattform für das Gesundheitswesen?
Eine Möglichkeit, mit Zielgruppen in den Dialog zu treten und mehr über andere Sichtweisen zu erfahren, stellte Stephan Giesler mit der Plattform 2025AD.com der Continental AG vor. Das Prinzip der Plattform zum Thema „Automatisiertes Fahren“ verdeutlichte der Leiter des Bereichs „Digital Innovation Dialogue“, indem er es mit dem Theater verglich: „Die Continental AG will nicht auf der Bühne stehen, sondern zwischen den Menschen im Parkett.“ Im Rampenlicht stünden die User. „Conti“ wolle als Gastgeber verschiedene Perspektiven beleuchten, Informationen verbreiten, aber auch Raum für die Stimmen anderer bieten. Kontrollverluste der Themen und Kommentare, so Gielser, müsse man dabei in Kauf nehmen.

 

Unter den Teilnehmern und den anderen Referenten führte dieser „branchenfremde Wachmacher“ zu einer lebhaften Diskussion. Gemeinsam suchten die Diskutanten nach einer Möglichkeit, die Idee auf das Gesundheitswesen zu übertragen. Ein Vorschlag: eine Plattform zum Thema „Krankenhaus der Zukunft“.

 

Choosing Wisely und Patientenempowerment
Ein „Paradigmenwechsel in der Medizin“ war Thema im Gespräch mit Dr. Johannes Wunderlich, Chefarzt und Ärztlicher Direktor im St.-Elisabeth-Krankenhaus der Kath. St.-Johannes-Gesellschaft Dortmund. Der Mediziner steht in seinem Arbeitsalltag hinter der Kampagne „Choosing wisely“. Dahinter steckt ihm zufolge keine Sparpolitik, sondern der Fokus auf den Patienten als Individuum. Indem ein Krankenhaus seine Patienten ernst nehme, verändere sich auch die Unternehmenskultur, erklärte Wunderlich. Letztlich sei die Kommunikation ein Qualitätsindikator: „Wenn man das Leitbild im Krankenhaus lebt, ist das genug Werbung. Dann braucht es keine Flyer!“

 

Auch das sogenannte Patientenempowerment stellt den Patienten in den Mittelpunkt. Doch haben Patienteninformation und aktives Einbeziehen einen Einfluss auf den Behandlungsprozess? Dazu hat Dr. Maren Schmidt, Chefärztin am Klinikum Barnim, geforscht (kliniksprecher.de berichtete). Bis auf eine Differenz bei der Häufigkeit der Schmerzen habe es allerdings keine signifikanten Unterschiede zwischen der Untersuchungs- und der Kontrollgruppe gegeben. „Alle wünschen sich Informationen, aber nicht jeder will selbst mitwirken und entscheiden“, erklärte Schmidt.

 

Unklar sei bei der Studie geblieben, welche Informationen Patienten genau fordern. So wurde der Bedarf von Patiententypologien deutlich und die Teilnehmer waren sich einig: „Wir müssen wissen und zurückspiegeln, was gefragt wird.“ Idee war es, Patienten zu befragen und damit direkt zu erfahren, welche Informationen sie sich wünschen, damit man diese anbieten kann.

 

Die Angehörigenperspektive nicht vergessen!
Dass es neben Patienten noch eine weitere wichtige Zielgruppe im Gesundheitswesen gibt, verdeutlichte Dr. Doreen Reifegerste, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hanover Center for Health Communication, im letzten Vortrag des Tages. Sie zeigte verschiedene Formen der Angehörigenkommunikation und beleuchtete die Potenziale für die Krankenhausqualität. Neben Patienten wollten auch Angehörige bedarfsgerecht angesprochen werden: „Man kann sich sicher sein: Informationen suchen sie auf jeden Fall und das hat Auswirkungen“, betonte Reifegerste. So seien Angehörige oftmals für die Beschwerden über Krankenhäuser verantwortlich.

 

Fazit: Viele offene To Dos!
Die Aufgaben, die aus den Diskussionen resultierten, fassten die Moderatoren zusammen: „Wir müssen hören, welche Bedürfnisse da sind! Erst, wenn wir wissen, was gefragt ist, können wir entscheiden. Es ist eine Querschnittsaufgabe für alle Akteure.“ Dafür seien Befragungen wie die der Weissen Liste oder auch Portale wie 2025AD.com wertvolle Anreize.

 

Deutlich wurde: Es gibt noch viel zu tun! So wird auch im nächsten Jahr Anfang März wieder ein Kliniksprechertag in Münster stattfinden. Infos dazu natürlich auf kliniksprecher.de. Impressionen vom diesjährigen Kliniksprechertag finden Sie hier.

Zurück

Einen Kommentar schreiben

Bitte addieren Sie 5 und 8.