Rezension: „Erkranken schadet Ihrer Gesundheit“

von Agentur lege artis

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Lasst uns wieder darauf besinnen, worum es in der Medizin eigentlich geht! Diese einfache Bitte steht am Ende von „Erkranken schadet Ihrer Gesundheit“, dem neuesten Buch des langjährigen Chirurgen und Autors Bernd Hontschik. Auf den Punkt und sehr eindringlich erklärt Hontschik zuvor auf 160 Seiten, warum dieser Appell dringend notwendig ist. Von der Sinnlosigkeit Individueller Gesundheitsleistungen (IGeL) über die fragwürdigen Methoden der Europäischen Arzneimittelbehörde bis hin zu den Versäumnissen bei der Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems zeichnet er dabei ein vielfältiges, vor allem aber ein erschreckendes Bild unseres Gesundheitswesens.

 

Eine Radikale Kursänderung im Namen der Humanmedizin

Es ist vor allem eine Entwicklung, die Bernd Hontschik große Sorgen bereitet und die sich wie ein roter Faden durch die verschiedenen Beiträge von „Erkranken schadet Ihrer Gesundheit“ zieht. Unser auf Solidarität ausgerichtetes Gesundheitssystem verwandelt sich zunehmend in einen profitorientierten Industriezweig. Die Folge: Gesundheit verkommt zur Ware und das Wohl der Patienten gerät immer mehr in den Hintergrund. Neu ist diese Erkenntnis nicht, wird sie doch seit Einführung des DRG-Abrechnungssystems im Jahr 2004 immer wieder kritisch diskutiert und fand zuletzt im September 2019 mit dem Ärzte-Apell im stern einen medialen Höhepunkt.

 

Hontschik gelingt es jedoch in klaren Worten aufzuzeigen, wie sich diese Ökonomisierung konkret äußert: So waren Kniegelenkspiegelungen, bis zu ihrer Streichung aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2015 eine weit verbreitete Behandlung bei Patienten mit Kniegelenkarthrosen. Abgerechnet wurde der halbstündige Eingriff mit etwa 2.300 Euro, ein durchaus profitables Geschäft für die orthopädischen Fachabteilungen also. Bereits 2002 gab es jedoch erste Studien, die aufzeigten, dass der Eingriff quasi keinen therapeutischen Nutzen besitzt. Zudem prangert Hontschik an, dass die Krankengymnastik trotz nachweislich positiver Effekte demgegenüber ein „Schattendasein“ in Deutschland führt. Eine 20-minütige Behandlung dort kostet übrigens nur 18 Euro.

 

Dies ist nur eines von vielen Beispielen, die Hontschik in seinen Beiträgen, die selten über drei Seiten hinaus gehen, aufführt und die er mal mit Witz, mal mit Fassungslosigkeit, einordnet. Seine zentrale Forderung zieht sich dabei durch das gesamte Buch: Um weiterhin eine Humanmedizin im Sinne der Patienten gewährleisten zu können, bedarf es einer radikalen Kursänderung in unserem Gesundheitssystem.

 

Inhaltliche Tiefe trotz vieler Themen

„Erkranken schadet Ihrer Gesundheit“ liest sich wie eine Sammlung unabhängig voneinander geschriebener Texte. Kein Wunder, denn ein Teil der Beiträge erschien bereits in ähnlicher Form als Kolumne in der Frankfurter Rundschau, für die Hontschik seit 2007 in regelmäßigen Abständen schreibt. So beschäftigt sich der Leser eben noch mit der Legalisierung von Cannabis und drei Seiten später fragt man sich, ob es in Deutschland nur eine Krankenkasse braucht, um das Gesundheitswesen zu finanzieren. Das macht die Lektüre von „Erkranken schadet Ihrer Gesundheit“ zu einem kurzweiligen Vergnügen, da man eine Einordnung zu vielen verschiedenen relevanten Fragestellungen innerhalb unseres Gesundheitswesens erhält. Der schnelle Themenwechsel könnte jedoch vor allem bei Laien auf diesem Themengebiet für eine gewisse Überforderung sorgen. Denn an inhaltlicher Tiefe mangeln die Beiträge trotz ihrer Kürze keinesfalls.

 

Bernd Hontschik (2019): Erkranken schadet Ihrer Gesundheit, Frankfurt/Main: Westend Verlag GmbH. (Taschenbuch: 16 Euro; eBook: 11,99 Euro)

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